Arbeitszeitverkürzung als Link für gewerkschaftliche Umwelt- und Klimapolitik?
Strategien der Arbeitszeitverkürzung haben eine lange und lange Zeit erfolgreiche gewerkschaftliche Tradition, auch in Verbindung mit Umweltfragen (z.B. bei Themen wie Arbeits- und Gesundheitsschutz). In dieser Analyse interessiert, ob und wie das Thema Arbeitszeitverkürzung von Interessenvertretungen der ArbeitnehmerInnen als Hebel für eine intensivere Befassung mit sozial-ökologischen und insbesondere Klimafragen genutzt wird bzw. werden könnte.
In den letzten Jahren mehren sich international vergleichende Befunde, wonach OECD-Länder mit einer kürzeren Arbeitszeit geringere Umweltbelastungen und einen niedrigeren CO2-Ausstoß aufweisen (unter Berücksichtigung von Faktoren wie Erwerbstätigenquote oder Arbeitsproduktivität), gemessen etwa anhand des ökologischen Fußabdrucks (vgl. z.B. Knight/Rosa/Schor 2013, Kallis/Kalush 2013, Hergovich 2013). Dieser Effekt ist erstens auf das geringere Arbeits- bzw. Produktionsvolumen sowie auf weniger Berufsverkehr u.a.m. zurückzuführen. Beispielsweise waren die Treibhausgasemissionen im Krisenjahr 2009 auch in Österreich signifikant rückläufig. Der Effekt dürfte geringer sein, wenn Arbeitszeitverkürzung zu einer Umverteilung von Erwerbsarbeit (und nicht zu einer generellen Reduktion) bzw. nur zu einer Verringerung des täglichen Arbeitsvolumens (und nicht von ganzen Tagen etc.) genutzt wird. Zweitens wird auf individueller Ebene ein Zusammenhang zwischen langen Arbeitszeiten und einer höheren Umweltbelastung diagnostiziert, wonach insbesondere (besser verdienende) Erwerbstätige mit knappen Zeitressourcen nicht nur in ihrer Freizeit mehr in zeitsparende bzw. technologieintensive Praktiken mit mehr CO2-Emissionen investieren (z.B. Kurzurlaube mit Flugzeug oder tägliche Autofahrten anstatt Benutzung anderer Verkehrsmittel etc.).
In dieser Fallstudie untersuchen wir anhand aktueller arbeitspolitischer Debatten in Österreich, welche Positionen, Strategien und Regelungen zum umkämpften Thema Arbeitszeitverkürzung aus Sicht von Gewerkschaften, Betriebsräten sowie auch von unterschiedlichen Gruppen von Erwerbstätigen vorliegen und inwiefern dabei Verknüpfungen mit Umwelt- und Klimafragen gegeben sind. Dies vor dem Hintergrund, dass eine generelle Arbeitszeitverkürzung nicht nur von der Arbeitgeberseite kritisch beäugt wird (befürchtete Nachteile im Standortwettbewerb, Fachkräftemangel angesichts des demografischen Wandels), sondern dazu auch zwischen Branchen, Betriebsgrößen und Beschäftigungsgruppen u.a.m. heterogene bis konträre Bewertungen vorliegen.
Ausgangspunkt dieser Untersuchung ist die 2013 ausverhandelte Freizeitoption im Kollektivvertrag der elektrotechnischen Industrie in Österreich, wonach auf Basis von Betriebsvereinbarungen anstatt der jährlichen Lohnsteigerung eine Reduktion der Arbeitszeit von bis zu 60 Stunden im Jahr in Anspruch genommen werden kann. Wer gab den Anstoß zu dieser Regelung und welche Hürden mussten dabei überwunden werden? In welchem Ausmaß wird die Freizeitoption im KV-Geltungsbereich in Anspruch genommen, mit welchem absehbaren Potential? Für welche Betriebstypen und Beschäftigtengruppen war diese Option ursprünglich vorgesehen und von wem wird sie warum tatsächlich genutzt? Wie und wie konträr ist das Meinungsspektrum zu dieser Regelung? Und: Spielen in diesem Kontext ökologische Fragen irgendeine Rolle? In einer Befragung von Akteuren von Interessenvertretungen (v.a. PRO-GE, auch Arbeitgeberseite) sowie von involvierten Betriebsräten und Beschäftigtengruppen in ausgewählten Unternehmen werden die aufgeworfenen Fragen analysiert. Ergänzend dazu fahnden wir in anderen Branchen nach ähnlichen Regelungen, um geg. Vergleichsperspektiven zu entwickeln.
Unabhängig davon erfolgt auf Basis von Literaturanalysen ein empirischer Aufriss zum internationalen Forschungsstand Arbeitszeitverkürzung in Verbindung mit Klimafragen. Hier interessiert besonders, für welche Gruppen von Erwerbstätigen Arbeitszeitverkürzungen (unter welchen Bedingungen) vorstellbar bzw. sogar wünschenswert sind und ob sich dazu Zusammenhänge mit umweltrelevanten Einstellungen bzw. Praktiken finden. Trifft beispielsweise zu, dass Besserverdiener (in Vollzeitjobs) sowohl für die Reduktion ihrer Arbeitszeiten als auch für ökologisches Handeln eher aufgeschlossen sind – weshalb sowohl Arbeitszeitverkürzung als auch Umweltpolitik für Gewerkschaften insofern sekundär bleiben, als die zu vertretenden Kerngruppen eher den mittleren und unteren Segmenten der Erwerbsbevölkerung zurechenbar sind?
Quellen
- Hergovich, Sven (2013): Warum Arbeitszeitverkürzungen auch der Umwelt helfen; in: Wirtschaftspolitik – Standpunkte, 2/2013, pp. 28-29
- Kallis, Giorgos / Kalush, Michael et al. (2013): „Friday off“: Reducing Working Hours in Europe; in: Sustainability (2013), No. 5, pp. 1545-1567
- Knight, Kyle W. / Rosa, Eugene A. / Schor, Juliet B. (2013): Could working less reduce presssures on the environment? A cross-national panel analysis of OECD countries, 1970-2007; in: Global Environmental Change, Vol. 23, pp. 691-700