Gewerkschaftliche Strategien und Erfahrungen in Bezug auf nachhaltigen Konsum
Die Förderung von nachhaltigem Konsum stellt – neben der Etablierung von nachhaltigen Produktionsmustern – einen Schlüsselfaktor in der Debatte um sozial-ökologische Transformation und Klimapolitik dar. (vgl. UNCSD 2012, WBGU 2011).Gewerkschaften befinden sich bezüglich der Konsumfrage in einer Zwickmühle. Aus ihrer historischen Entstehung und Erfahrung heraus stellt die Verbesserung von Lebensstandards ein zentrales Ziel für Gewerkschaften dar. Vor dem Hintergrund der aktuellen Wohlstandsmodelle bedeutet steigender Lebensstandard vor allem ein mehr an Konsum. Wachsende Kaufkraft, und damit verbunden ansteigender Konsum, werden als Ausdruck für gesellschaftliche Teilhabe und auch als Ausdruck für erfolgreiche gewerkschaftliche (Kollektivvertrags-) Politik betrachtet.Die offensichtlich negativen Auswirkungen auf die Umwelt (Ressourcenverbrauch, natürliche Senken, Abfallproblematik,…) werden dabei meist nur wenig berücksichtigt. Ebenso erschwert diese makro-ökonomische Orientierung den Blick auf soziale Aspekte (Statuskonsum, Konkurrenzdruck Stress,…) die über das Kaufkraftargument hinausgehen.
Die Debatte um Konsum ist eng mit der Frage von Wohlstandsmodellen verknüpft. Diese unterliegen sowohl im Allgemeinen, wie auch aus gewerkschaftlicher Sicht sozio-ökonomischen Entwicklungen und gesellschaftlichen Wertevorstellungen, welche nicht statisch sind. Historisch betrachtet sind wesentliche Weichenstellungen im Bezug auf Wohlstandsmodelle in den 1920er Jahren mit der Durchsetzungen maßgeblicher arbeits- und sozialrechter Standards durch eine erstarkte ArbeiterInnenbewegung, in den 1950 und 1960er Jahren durch die Etablierung des fordistischen Nachkriegskonsens und in den 1990er Jahren durch die Hegemonisierung neoliberaler Wertvorstellungen und durch den scheinbar „billigen“ und uneingeschränkten Zugriff auf Ressourcen, Vorprodukte und Konsumgüter durch eine globalisierte Arbeitsteilung, zu finden.
Sowohl der Nachkriegskonsens, der breite Schichten von ArbeitnehmerInnen, am Wirtschaftsaufschwung teilhaben hat lassen, als auch die neoliberale Logik geraten jedoch zunehmend ins Wanken. Bereits vor der Krise 2008/2009 schien das Band zwischen Wachstum und Wohlstand gerissen (vgl. Brand 2014). Sinkende Wachstumsraten und die anhaltend instabilen Konjunkturlagen der letzten Jahre verstärken diesen Trend.
Die Vorstellungen von Wohlstand und das Bild von einem „guten Leben“ sind über Konsum immer schwieriger erfüllbar. Dennoch wirkt Konsum vor allem in Krisenzeiten als „Kitt“ (Brand 2008). Billigdiskonter täuschen über das Auslaufen des fordistischen Wohlfahrts- und Wohlstandsmodell hinweg und integrieren nach wie vor auch untere Einkommensschichten in die globale Arbeitsteilung und den Ressourcenverbrauch.Die schwindenden Verteilungsspielräume – sowohl auf (sozial-)staatlicher, wie auch auf kollektivvertraglicher Ebene – aber auch die Debatte um ökologische Nachhaltigkeit stellen dies jedoch zunehmend in Frage. Hinzu kommt, dass Gewerkschaften vor dem Hintergrund der postfordistischen Arbeitsorganisation zunehmend mit neuen Aspekten rund um die Frage der Lebensqualität (Arbeitszeit, Work-Life-Balance,…) konfrontiert sind.
Die aktuelle wissenschaftliche wie auch politische Debatte um nachhaltigen Konsum ist stark von moralistischen und verzichts-orientierten Ansätzen geprägt (vgl. u.a. Welzer 2013, Paech 2012, Grunwald 2012). Konsum wird meist auf die individuelle Ebene gebracht, als Frage der KonsumentInnen-Entscheidung diskutiert und damit „privatisiert“. Doch Konsum ist gesellschaftlich determiniert (Haug 2010) und entlang der vorherrschenden Produktionsweisen organisiert. Die Fokussierung auf die ökonomische Bedeutung von Konsum in Sinne von Kaufkraft innerhalb der gewerkschaftlichen Debatte verstellt oftmals den Blick auf diese Gesamtbetrachtung und rückt die Frage der „Lebensweisen“ als Kehrseite von Produktionsweisen in den Hintergrund.
Eine zentrale Herausforderung für Gewerkschaften, als kollektive AkteurInnen, ist es auf der individuellen Ebene angesiedelten Strategien für einen nachhaltigen Konsum eine Perspektive entgegen zu halten, die die Lebens- und Arbeitsbedingungen von ArbeitnehmerInnen in die Frage des Konsumverhaltens mit einbezieht und Konsum auf einer gesamtgesellschaftlichen Ebene zu diskutieren.
Zentrale Fragestellungen des Forschungsvorhabens:
- Welche Zugänge, Debatten gibt es innerhalb der österreichischen Gewerkschaften zur Frage des nachhaltigen Konsums?
- In welchem Ausmaß verfolgt die aktuelle Konsumpolitik von Gewerkschaften nachhaltige Ziele?
- Wo ergeben sich Überschneidungspunkte mit sozialen Fragen bezüglich Konsumweisen (Arbeitsbedingungen, Verschuldung,…)? Welche konkreten Erfahrungen gibt es hierzu?
- Wie können Gewerkschaften soziale und ökologische Fragestellungen über das Thema Konsum verbinden? Wo gibt es Potential? Wo liegen die Hindernisse dafür?