Logo der Universität Wien
Themenfeld Mobilität

Gewerkschaftsstrategien für nachhaltige Mobilität im Rahmen einer klimafreundlichen Politik

Verkehr ist einer der stärksten Klimakiller weltweit. Um den Klimawandel in Grenzen zu halten, hat die EU Klima-Schutzziele für die verschiedenen Sektoren, auch für den Verkehrsbereich konkret formuliert. In Österreich folgt daraus für den Verkehrssektor eine Reduktion der CO2-Emissionen um 26% bis zum Jahr 2030 und um 76% bis 2050. Der Verkehr verursacht in Österreich mehr als ein Viertel aller Treibhaus-Emissionen, davon verursacht allein der Straßenverkehr mehr als 95%. Daher ergeben sich hier die größten Herausforderungen für den Übergang zu klimaschonenden Mobilitätsformen. Das Thema klimafreundliche Mobilität wird in Österreich in den vergangenen zwei Jahrzehnten immer stärker durch nationale Förderprogramme sowie durch vielfältige Aktivitäten thematisiert. Stichworte sind: Verkehrsvermeidung und Verlagerung zugunsten klimafreundlicher Mobilitätsformen. Die Erfolge sind jedoch nach wie vor begrenzt. Wie die Forschung zeigt, sind nachhaltige Fortschritte zugunsten weniger und klimafreundlicher Verkehrsformen nur durch vernetzte Aktivitäten aller relevanten Akteure möglich. Andernfalls ergeben sich lediglich temporäre Insellösungen, Rebound-Effekte werden nicht verhindert. Daraus leiten sich die Forschungsfragen des Themenfeldes Mobilität ab:

  • Welche Rolle spielen die österreichischen Gewerkschaften für einen erfolgreichen Übergang zu nachhaltigen Mobilitätsformen?
  • Welche Schwerpunkte werden thematisiert, welche weißen Flecken gibt es?
  • Wo gibt es Vorreiterpositionen und wodurch werden sie beeinflusst?
  • Welche Hemmnisse sehen klimaaktive GewerkschaftsakteurInnen für ihre Initiativen im Bereich nachhaltige Mobilität?

Der ÖGB hat in den letzten Jahren in seinen Grundsatzpieren die „Ökologisierung der Mobilität“ auf die Tagesordnung gesetzt. Dabei wird betont, dass diese nicht auf Kosten der Lebensqualität und Lebenschancen aller sozialen Gruppen gehen darf. Hier wird deutlich, dass es unterschiedliche Wege in Richtung klimaverträglicher Mobilität gibt und dass die Gewerkschaften dabei auf eine gerechte Kostenverteilung der Ökologisierung der Mobilität drängen. Gemeinsam mit der Arbeiterkammer spricht sich der ÖGB gegen Liberalisierung (Privatisierung) des öffentlichen Verkehrs und für dessen staatlichen Ausbau als Teil der Daseinsvorsorge aus. In diesem Kooperationsverhältnis erscheint die Arbeiterkammer als wichtige Impulsgeberin im Bereich nachhaltige Mobilität.

Zudem gibt es in den Einzelgewerkschaften verschiedene Initiativen, um nachhaltige Mobilität zu fördern. So hat die Gewerkschaft Vida umfassende verkehrspolitische Forderungen ausgearbeitet, in deren Rahmen das Verhältnis „Umwelt und Verkehr“ thematisiert wird, allerdings als letzter Punkt im Gesamtkonzept. Vida setzt dabei insbesondere auf Vorranglösungen für die Schiene, auf Kostenwahrheit im Verkehr, den Umstieg auf umweltschonende und effiziente Verkehrsmittel und emissionsarme Verkehrsträger. Gleichzeitig wird eingeschätzt, dass dazu die organisationsinterne Kommunikation verstärkt werden muss, um der eigenen Verantwortung in diesem Bereich gerecht zu werden. Allerdings steht hier die Frage, wie die dafür notwendigen personellen Ressourcen bereitgestellt werden können. Zusätzlich zu den programmatischen Forderungen sind verschiedene Projekte und Aktionen umgesetzt worden, etwa im Rahmen betrieblichen Mobilitätsmanagements oder zur Stärkung des regionalen ÖV. Die GBH formuliert im Rahmen ihrer Nachhaltigkeitsinitiative „UMWELT + BAUEN“ vier „Kernziele“, zu denen auch der „Bau von zukunftsweisenden öffentlichen Verkehrsverbindungen und Bildungseinrichtungen“ gehört. Hier wie bei den anderen Einzelgewerkschaften steht der Ausbau eines attraktiven öffentlichen Nahverkehrs im Zentrum, während Themen wie Ausbau multimodaler Mobilität oder nicht-motorisierter Mobilitätsformen noch eine untergeordnete Rolle spielen. Sie werden in einigen Landesverbänden sowie in der klimaschutzorientierten Mobilitäts-Community bereits aktiv diskutiert. Mobilitätspolitische Akzente setzt PROGE, indem sie sich für eine Ökologisierung des Steuersystems einsetzt. Bezogen auf die Umsteuerung zugunsten nachhaltiger Mobilität bedeutet dies, zukunftsorientiertes Mobilitätsverhalten und Investitionen in neue Mobilitätsformen geringer zu besteuern sowie die Verkehrssteuern ausschließlich für die öffentliche Förderung nachhaltiger Mobilitätssysteme zu verwenden. Die PROGE formuliert hier also eine wichtige gesellschaftspolitische Perspektive. Gleichwohl liegt der Schwerpunkt des aktuellen Nachhaltigkeitsdiskurses eher auf dem Thema „faire Produktion“.

Ungeachtet der Aktivitäten klimaschutzinteressierter VorreiterInnen innerhalb der Gewerkschaften stehen diese nicht im Zentrum öffentlicher Aufmerksamkeit. Kompetenzzuschreibungen konzentrieren sich nach wie vor im Zusammenhang mit der branchenspezifischen Interessenvertretung. Dies gilt für die Wahrnehmung der Gewerkschaften von Seiten ökologisch aktiver Institutionen, aber auch gewerkschaftsintern. Als Hauptaufgabe der Gewerkschaften wird die Interessenvertretung von ArbeitnehmerInnen gesehen. Die Crux besteht für gewerkschaftliche Nachhaltigkeitsakteure darin, die Strategieentwicklung für nachhaltige, klimafreundliche Mobilität so mit ihren Kernaufgaben zu verknüpfen, dass sie nicht als „Zusatz“ oder „Luxus“ wahrgenommen werden, der bei Personal- oder Finanzmangel eingefroren wird.

Die empirische Analyse in AP5 erfolgt auf zwei theoretischen Grundlagen: Auf dem Mobilitätsmodell von Urry, der das dominierende automobile Mobilitätssystem systematisch kritisiert. Er beschreibt das aktuelle Mobilitätssystem als ein sich selbst verstärkendes System, dessen unterschiedliche Aspekte sich gegenseitig reproduzieren und stärken. Daher ist ein klimafreundlicher Wandel so schwierig. Es muss daher an den verschiedenen Aspekten gleichzeitig ansetzen. Dazu gehören die Förderung nachhaltiger Verkehrsmittel und der Konsumtion vielfältiger Verkehrsmittel (Multimodalität). Weiter gehören dazu politische Einschränkungen der ressourcenverbrauchenden Interessen und Konzepte der Automobilindustrie sowie der Dominanz privater Mobilitätsformen und der dominanten extensiven Mobilitätskultur (schneller/weiter). Im AP5 wird danach gefragt auf welche dieser und weiterer Schwerpunkte sich klimafreundliche Mobilitätskonzepte und –aktivitäten der Gewerkschaften beziehen, wie sie verbunden werden und vor allem, wie sie mit dem Schutz der Arbeitnehmerinneninteressen verknüpft sind. Dies berührt bereits den zweiten theoretischen Ausgangspunkt der empirischen Arbeit in AP5: Das Nachhaltigkeitskonzept, das ökologischen Wandel mit sozialem und ökonomischem Wandel dezidiert verbindet. Zentral ist hier die Frage, wie Menschen in ihren Interessen als ArbeitnehmerInnen in die Entwicklung klimafreundlicher Mobilitätsformen einbezogen werden können.

Bezogen auf das Fallbeispiel klimafreundliche nachhaltige Mobilität erscheinen regionalspezifische Kontexte von besonderer Bedeutung. Die Entwicklung von Programmen und Forderungskatalogen auf der Bundesebene reicht bei weitem nicht aus. Daher wird in AP5 den regionalen Kontexten für Aktivitäten im Rahmen gewerkschaftlicher Mobilitätsstrategien besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Die Analyse richtet sich auf die daraus erwachsenden klimaschutzrelevanten Schwerpunkte im Bereich Mobilität, auf Ziele/Zielkonflikte sowie die für die regionalen Gewerkschaftsakteure bedeutsamen Akteursnetze und Aktionsarten. Es sollen zwei Regionen ausgewählt und verglichen werden.

Im Rahmen des ersten regionalen Schwerpunktes sollen gewerkschaftliche Aktivitäten in Vorarlberg analysiert werden. Diese Region ist mit dem Programm „Energiezukunft Vorarlberg: Renaissance des Fahrrades“ sowie mit diversen Projekten für nachhaltige Mobilität als Vorreiterin zu sehen. Ziel der Region ist es, bis 2050 den motorisierten Individualverkehr um 50% zu senken. Nur ein Viertel der Wege soll mit ausschließlich elektrisch betriebenen PKW zurückgelegt werden. Gefördert wird das Fahrradfahren, etwa mit Radschnellverbindungen, Tempo 30-Zonen, überdachten Abstellanlagen und Fahrradgaragen. Die Vorarlberger GewerkschafterInnen sind damit aktiver Teil einer Mobilitätskonzeptes, das gleichzeitig an die Wurzel des Verkehrsverhaltens und des Verhältnisses unterschiedlicher Mobilitätssysteme geht. Es wird der Frage nachgegangen:

Auf welche Art und Weise bringen sich die Vorarlberger GewerkschafterInnen in diesen klimaschutzfreundlichen regionalen Kontext ein, wer sind ihre Hauptpartner?

Für die zweite Region wurde noch keine Auswahl getroffen. Wien als Ballungsraum würde sich anbieten. Überlegungen und Anregungen der ExpertInnenrunde dazu sind daher sehr willkommen. In die empirische Analyse werden einbezogen: Akteure der Bundesebene, Landesvorsitzende der ausgewählten Regionen, BetriebsrätInnen, ProjektleiterInnen sowie GewerkschaftsaktivistInnen sowie PartnerInnen (z.B. der AK) im Bereich nachhaltige Mobilität (Vorschläge der ExpertInnenrunde sind sehr willkommen).

Trafo-Labour
Institut für Politikwissenschaft
Universitätsstr. 7/2
1010 Wien

E-Mail
Universität Wien | Universitätsring 1 | 1010 Wien | T +43-1-4277-0